Gedanken zum 1. März 2022

Vor 66 Jahren wurde in Oranienburg bei Berlin dem ersten Regiment der Nationalen Volksarmee die Truppenfahne übergeben. Die als Koalitionsarmee konzipierte Streitmacht hatte nur einen Auftrag: die Verteidigung der DDR, im Schulterschluss mit den Armeen der anderen Staaten der Warschauer Vertragsorganisation.

Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass deutsche Soldaten jemals wieder im Baltikum stehen würden, um sich auf einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Zu frisch waren die Erinnerungen an die militärische Niederlage, die dem deutschen Militär nur wenige Jahre zuvor von der Roten Armee beigebracht worden war. Und der Einflussbereich jener Kräfte, die ohne Skrupel bereit waren, einen neuen Krieg gegen die UdSSR anzuzetteln, endete an der Westgrenze der DDR. Dass das bis 1989 so blieb, war unter anderem der NVA zu verdanken, die durch die Professionalität und Haltung ihrer Soldaten nicht nur die Risikofreude westdeutscher Politiker und Militärs dämpfte, sondern auch dafür sorgte, dass der westdeutschen Wehrpflichtarmee diverse verlustreiche Kriegsabenteuer in Gefolgschaft der Vereinigten Staaten erspart blieben. Denn die Bundeswehr wurde als Drohkulisse an der Grenze zum Warschauer Pakt benötigt und stand für „Out-of-area-Missionen“ nicht zur Verfügung.

Doch die Zeiten ändern sich. Heute sprechen deutsche Verteidigungs- und Außenpolitiker unverblümt darüber, dass Deutschland bereit sein muss, zur Durchsetzung seiner Interessen auch militärische Mittel einzusetzen. Man müsse „mehr Verantwortung“ übernehmen, um der „regelbasierten Ordnung“ des Westens Geltung zu verschaffen.

Und so erklärte im Juni 2021 Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr: „Bei der Landes- und Bündnisverteidigung haben wir keine Zeit, um uns ein Jahr auf einen Einsatz vorzubereiten. Wir brauchen einsatzbereite, möglichst autarke, ad-hoc verlegbare Großverbände. Wir müssen uns lösen vom Denken in Kontingenten. Wir müssen die Kaltstartfähigkeit erhöhen.“ In der Zeitschrift „Innere Führung“ forderte Heeresinspekteur Alfons Mais: „Eingesetzte Truppen müssen durchsetzungsfähig, kriegsbereit und siegesfähig sein. Sie müssen in der Lage sein, Schläge einzustecken, sich neu zu formieren und zurück zu schlagen, bis der Auftrag erfüllt ist.“

Der Hauptgegner ist in alter (bundes)deutscher Tradition Russland. Das deutsche Generäle wieder darüber diskutieren, wie man mit Kampftruppen in Stärke eines Armeekorps oder einer mit ca. 90.000 Reservisten aufgefüllten Feldarmee im Osten Kriege führen kann, ist auch eine Spätfolge des Zusammenbruchs der DDR und der Zerschlagung ihrer Streitkräfte. Wenn man also den historischen Stellenwert der NVA, wenn man die Leistungen ihrer Soldaten objektiv bewerten will, sollte man diesen Aspekt nicht ausblenden. Die NVA stand für Frieden und die Gewährleistung des militärischen Gleichgewichtes zwischen den Systemen. Sie sorgte dafür, dass militärische Abenteuer des Gegners unmöglich gemacht wurden. Das war ihr Auftrag und den hat sie in Ehren erfüllt.

Präsidium

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