Erklärung des Präsidiums zum Symposium "Zur Lage in der Ukraine"

 

Am 06.09.2014 fand der 2. Tag der offenen Tür als ein Tag der Begegnung im "Museum der Waffenbrüderschaft" in Garzau statt. Neben Führungen im Museum konnte auch der "Bunker Garzau" besichtigt werden. Dieses Angebot wurde durch eine beachtliche Anzahl von Besuchern wahrgenommen.

Im Zentrum dieses Tages stand das erste Symposium zur "Lage in der Ukraine".

Die Teilnehmer des Symposiums kamen zu folgendem Ergebnis:

- Hintergrund des Bürgerkrieges in der Ukraine ist die zunehmende geopolitische Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland.

- Durch die dauerhafte Einbindung der Ukraine in die EU und die NATO soll die wirtschaftliche und militärpolitische Konsolidierung Russlands erschwert werden.

- Strategisches Ziel der USA ist die dauerhafte Ausschaltung Russlands als globalpolitischer Machtfaktor. 

- Russlands Führung hingegen will angesichts einer zunehmend instabilen internationalen Lage die globale Handlungsfähigkeit des Landes sichern.

- Im Kern geht es in der Ukraine um strategische Ausgangspositionen in zukünftigen globalen Konflikten.        

- Der Ukrainekonflikt könnte Vorbote zukünftiger Kriege sein, auf die sich die verschiedenen Machtzentren der Welt militärisch vorbereiten.   

Weitere Informationen zu strategischen Überlegungen sind anliegend dem Beitrag von Dr. Uwe Markus zu entnehmen.

Pressestelle

 

 

Uwe Markus                                                                        Berlin, 13. September 2014

 

Der Übermut des Westens

 

Die Europäische Union hat weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Doch sie sind noch nicht in Kraft gesetzt. So möchte man Russland disziplinieren. Dabei hat Russlands Präsident im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko seinen Beitrag zur Deeskalation der Situation in der Ukraine bereits geleistet. Erst nach diesem Telefonat wurde doch in Minsk eine Waffenruhe zwischen ukrainischen Truppen und den Rebellen im Osten des Landes vereinbart, die zwar brüchig ist, aber Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Konfliktes weckt. Doch statt hier anzusetzen und den Gesprächsprozess zwischen den Konfliktparteien zu fördern, droht die EU mit weiteren ökonomischen Strafmaßnahmen. Während man in der medialen Öffentlichkeit den russischen Präsidenten als skrupellosen Aggressor dämonisiert, hält sein ukrainischer Amtskollege in Mariupol martialische Reden und verweist auf die angeblich zu erwartende militärische Unterstützung durch die NATO. Und die ukrainische Schwarzmeerflotte läuft zu einem Marinemanöver mit der US Navy und Flottenkräften weiterer NATO-Staaten aus. Deutsche Eurofighter fliegen im Luftraum der baltischen NATO-Partner – unmittelbar an der russischen Grenze. Was passiert eigentlich, wenn eine dieser Maschinen – absichtlich oder versehentlich – russischen Luftraum verletzt und abgeschossen wird? Gibt es dann Krieg? Haben wir dann den NATO-Bündnisfall? Es wäre nicht das erste Mal, dass die NATO mit solchen pubertären Aktionen militärische Potenz nachweisen und das russische Luftverteidigungssystem ausforschen will.

Sowohl die von der EU beschlossenen Wirtschaftssanktionen, als auch die militärischen Symbolhandlungen der NATO deuten darauf hin, dass man im Westen dazu neigt, Zugeständnisse Moskaus grundsätzlich als Schwäche zu interpretieren. Man tut das, was man Putin immer vorwirft: Man denkt und handelt in einem primär machtpolitisch definierten Bezugsrahmen. Das verführt dazu, die Gesprächsbereitschaft Moskaus als Indikator dafür zu werten, dass die russische Führung sich westlicher Stärke fügen wird. Und in der Logik dieser Fehlinterpretation meint man den Druck auf Russland weiter erhöhen zu müssen, um letztlich den Konflikt für den Westen entscheiden zu können. Dieses Denken in Gewinner- und Verliererkategorien taugt allerdings nicht für einen dauerhaften strategischen Ausgleich mit Moskau. Russland wird sich weder politisch, noch ökonomisch erpressen lassen. Für das Land steht zuviel auf dem Spiel.

Während Journalisten, Politiker und diverse Experten in unzähligen TV-Sendungen aufgeregt darüber rätseln, „was Putin will“ und selbst ein Altlinker wie Jürgen Trittin sich öffentlich darüber wundert, dass der ökonomische Knüppel der EU von Russlands Führung ignoriert wird, praktiziert letztere eine durchaus ökonomisch be-gründete und vor allem kalkulierbare Geopolitik. Man müsste sich im Westen nur die Mühe machen, die Situation und die daraus resultierenden Interessen Russlands zur Kenntnis zu nehmen.

Wir erleben derzeit eine dramatische Veränderung der geopolitischen Rahmenbedingungen. Bisherige Machtverhältnisse werden instabil. Vor allem China und Indien sorgen mit ihrem rasanten Wirtschaftswachstum und dem Bestreben, ihren Milliardenvölkern in Zukunft Wohlstandsstandards westlicher Gesellschaften zu sichern, für einen enormen Wettbewerbsdruck. Es geht um den Zugriff auf knapper werdende Rohstoffe. China ist mit dieser Absicht seit Jahren auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Nunmehr umwirbt auch der US-Präsident diese Staaten, weil man verspätet erkannt hat, wie wichtig die Ressourcen Afrikas für die US-Wirtschaft sein werden. Russland, die USA und Kanada melden maximale Ansprüche auf die Nordpolarregion an. Mit dem Abschmelzen des Eises werden die darunter lagernden Bodenschätze wirtschaftlich interessant.

Zugleich schwinden die Grundlagen bisheriger amerikanischer Dominanz in der Welt. Volkswirtschaftliche Verwerfungen infolge zunehmenden Wettbewerbsdrucks, massive finanzielle Probleme durch negative Handelsbilanzen und teure Kriege haben dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten allein nicht mehr in der Lage sind, die politischen Bedingungen für das optimale Funktionieren des westlichen Wirtschaftsmodells zu sichern. Hier soll nun die EU einspringen und zumindest mit Geld, aber auch mit militärischen Mitteln dazu beitragen, dass die geopolitische Dominanz der USA erhalten bleibt. Dieser Prozess verläuft nicht widerspruchsfrei, weil die EU und die Vereinigten Staaten eben auch wirtschaftliche Konkurrenten sind.

Und mitten in der Gemengelage widerstreitender Interessen der Machtblöcke und aufstrebenden Mächte findet sich Russland. Nachdem deutlich wurde, dass EU und NATO die vertraglich fixierte Partnerschaft mit Russland dazu benutzt haben, ihren eigenen Einflussbereich auszudehnen und in der Regel Russland vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, betreibt das Land nun eine klar an eigenen geostrategischen Interessen ausgerichtete Politik – wie das auch die USA, China und die EU tun. Putin das vorzuwerfen, ist recht heuchlerisch. Aus russischer Sicht verschlechtern sich durch die Ausdehnung von EU und NATO die Bedingungen für die Gewährleistung der strategischen Sicherheit und ökonomischen Unabhängigkeit Russlands – mithin für seine politische Entscheidungsfreiheit und Handlungsfähig-keit. Und der Ukraine-Konflikt zeigt, dass vor allem die Vereinigten Staaten bestrebt sind, Russland auf dem Status einer Mittelmacht mit begrenzten globalen Handlungsoptionen zu halten. Neben der Tatsache, dass sich US-Konzerne bereits Schürfrechte für die Gewinnung von Bodenschätzen in der Ukraine gesichert haben, ist aus US-Sicht vor allem die Tatsache von Interesse, dass man mit der Einbindung der Ukraine in westliche Strukturen strategisch näher an das russische Kernland heranrückt. Das setzt Russland militärpolitisch unter Druck, weil es Konsequenzen für die Aufrechterhaltung der nuklearen Abschreckung haben kann. Ein NATO-Stützpunkt auf der Krim wäre sichtbarer Ausdruck dieser Bestrebungen gewesen und hätte zudem die Handlungsmöglichkeiten der Russischen Schwarzmeerflotte massiv beeinträchtigt.

Außerdem wird durch die Zerstörung der historisch gewachsenen industriellen Arbeitsteilung zwischen Russland und der Ukraine die russische Rüstungsindustrie und damit das Programm für die Modernisierung der russischen Streitkräfte massiv beschädigt. Denn amerikanischen Strategen dürfte klar sein, dass eine weitere wirtschaftliche Konsolidierung und militärische Stärkung Russlands der Integration des postsowjetischen Raumes förderlich wäre. Damit entstünde ein weiteres politisch potentes Machtzentrum, dass sich der amerikanischen Einflussnahme entziehen würde. Und ein militärisch starkes Russland stellt zudem ein Hindernis für die gewaltsame Durchsetzung amerikanischer Interessen im globalen Wettbewerb dar. Also benutzt man den Ukraine-Konflikt als Mittel für die politische und ökonomische Schwächung Russlands sowie als Testfeld für zukünftige Auseinandersetzungen. Dass dabei ein mittlerweile bewährtes Handlungsmuster zu Einsatz kam, muss nicht verwundern. Immer, wenn US-Strategen sogenannte Regimewechsel befördern wollen, sind die Abläufe ähnlich: In ihrer Machtausübung träge gewordene Regierungen werden von Bürgerrechtsbewegungen attackiert, die sich in der Regel auf die Menschenrechte berufen und Demokratiedefizite anprangern. Vorzugsweise nutzen diese Bewegungen die neuen Medien für die Mobilisierung ihrer Anhänger. Mit wohlwollender Unterstützung westlicher Medien wird für diese Bewegungen eine internationale Öffentlichkeit hergestellt. Geld fließt den Protagonisten zu, damit Strukturen aufgebaut werden können. Schließlich eskalieren die Konflikte mit der Staatsmacht. Auf zentralen Plätzen der Hauptstädte entstehen Protestcamps der Aktivisten, Demonstrationen lähmen das öffentliche Leben. In dieser Phase tauchen politische Berater aus dem Westen auf, diverse Stiftungen unterstützen die Protest-bewegung mit Geld. Westliche Medien inszenieren die Proteste als Kampf für die Werte der westlichen Demokratie. Der Staat wird mit Maximalforderungen kon-frontiert, deren Umsetzung einem Staatsstreich gleichkäme. Kompromisse werden gezielt torpediert, um den Regimewechsel durchzusetzen. An die Macht kommen schließlich Politiker, deren Affinität zu den Vereinigten Staaten von Amerika unüber-sehbar ist, die sich nur leider in der Folgezeit oft als personalpolitischer Fehlgriff herausstellen, weil sie korrupt oder unfähig sind. In der Ukraine ist dieses Muster bisher erfolgreich angewendet worden – es hätte auch ein anderes postsowjetisches Land sein können. Hauptsache, die wiedererstarkende Weltmacht Russland wird dauerhaft geschwächt und klein gehalten.

Es geht also nur vordergründig um ethnische Zugehörigkeiten, Sprachgrenzen oder die staatliche Souveränität der Ukraine. Russland kämpft um den Erhalt strategischer Optionen, um die Sicherung von Spielräumen für die Konsolidierung des Landes. Es geht um den Wiederaufstieg zu einer global handlungsfähigen Macht, weil nur so dauerhaft ein Gegengewicht zu den USA geschaffen werden kann. Dass das dringend notwendig ist, wurde in den Jahren seit 1990 überdeutlich. Überall, wo US-Strategen militärische und ökonomische Machtmittel ihres Landes – in der Regel unter Bruch des Völkerrechts und unter Berufung auf gefälschte Beweise – einsetzten, wurde die jeweilige Region politisch instabil und wirtschaftlich ruiniert.

Die in Allmachtsphantasien schwelgende US-Außenpolitik der seit 1990 vergangenen Jahrzehnte war erkennbar ignorant und disfunktional mit Blick auf die Entschärfung von Konflikten. Wo die Vereinigten Staaten militärisch aktiv wurden – ob im Irak, in Afghanistan oder in Libyen – das Ergebnis waren Bürgerkriege sowie der Zerfall von Gesellschaften und Staaten.

Man mag die derzeitige russische Führung mögen oder nicht – Tatsache ist, dass Russland als einzige Macht derzeit in der Lage ist, dem unbekümmerten Einsatz militärischer Gewalt durch die Vereinigten Staaten Grenzen zu setzen – wie im Verlauf des Syrien-Konfliktes deutlich wurde, als der Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus den syrischen Präsidenten Assad „bestrafen“ wollte.

Der Ukraine-Konflikt ist vor diesem Hintergrund ein Stellvertreterkonflikt zwischen den USA und Russland, wobei zu denken gibt, dass die Europäische Union bezahlen soll, was die Vereinigten Staaten in dem geschundenen Land politisch und wirt-schaftlich angerichtet haben. Die EU wird damit als wirtschaftlicher Wettbewerber der USA dauerhaft geschwächt. Und die Kampagne erweist sich als probates Mittel zur politischen Disziplinierung der EU sowie zur Reanimierung der bisher an einer permanenten Sinnkrise leidenden NATO.

Wir erleben mit der Ukraine-Krise eine Episode im Wettbewerb um möglichst günstige Ausgangspositionen in den zu erwartenden globalen Verteilungskämpfen um Ressourcen, Handelswege, Entwicklungschancen.

Russland sucht nach dem militärischen Bodengewinn der ostukrainischen Rebellen  derzeit erkennbar nach einer Entschärfung der Konfrontation unter Berücksichtigung seiner militärischen und wirtschaftlichen Interessen, denn das Land braucht Zeit für die weiterte Modernisierung. Doch die schulmeisterlichen Sanktionsversuche der EU könnten sich als kontraproduktiv erweisen, wenn die russische Führung den Eindruck gewinnen würde, dass Brüssel trotz aller einseitigen Vorleistungen auf Konfrontation setzt und das Land demütigen möchte. Einen Gesichtsverlust kann Russlands Führungselite schon aus innenpolitischen Gründen nicht riskieren. Also wird man sich gegen weitere aus machtpolitischem Übermut beschlossene Sanktionen des Westens wehren. Es könnte für die EU eine bittere Zeit anbrechen.

von web597 (Kommentare: 0)

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