Küstenschutzkomplex "Bastion" auf den Kurilen

Auf der Kurilen-Insel Matua, im Pazifischen Ozean, wurde eine Einheit des russischen Küstenschutzes mit einer Feuerabteilung des Komplexes „Bastion“ und dazugehörigen Überschall-Anti-Schiffs-Marschflugkörpern „P-800 Onyx“ (Reichweite 375 Km) dauerhaft stationiert. Vermutlich stammen die vier Transport- und Startfahrzeuge und die dazugehörige Radaranlage von der 72. Küstenraketenbrigade der Pazifikflotte (stationiert in Smolyaninovo bei Wladiwostok).

Matua liegt in der mittleren Gruppe des Kamms der Kurilen-Inseln. Südlich davon liegen vier weitere Kurilen-Inseln: Kunashir, Iturup, Shikotan und Habomai. Alle Kurilen-Inseln gehören seit dem Ende des 2. Weltkriege zu Russland. Japan will aber die vier südlichsten Inseln zurück haben. Im Norden liegt die Halbinsel Kamtschatka mit dem wichtigen russischen Atom-U-Boot-Stützpunkt in Wiljutschinsk. Das Ochotskische Meer wird durch die Kette der Kurilen zum Pazifischen Ozean begrenzt. Und dort befinden sich die Haupteinsatzgebiete der russischen strategischen Atom-U-Boote mit ballistischen Interkontinentalraketen. Sollten die Kurilen verloren gehen, so verliert Russland den Zugang zum Stillen Ozean und die russische Pazifikflotte wäre im Ochotskischen Meer eingeschlossen.

Satellitenaufnahme Kurilen
Russische Satellitenaufnahme der Kurilen-Inseln (Quelle: Archiv tvnva)

Werden die Kurilen im Luftraum, auf dem Wasser und unter Wasser von Russland zuverlässig kontrolliert und geschützt, haben feindliche U-Boot-Abwehrkräfte keinen Zugang zum Ochotskischen Meer. Das bedeutet, dass die russischen Atom-U-Boote,  darunter die neuesten „Boreas“ mit Interkontinentalraketen „Bulava“, in diesen Breiten verdeckt auslaufen können, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bisher bestand das Problem sowohl bei der Kontrolle des Ochotskischen Meeres als auch des gesamten Kurilenkamms darin, dass die Streitkräfte der russischen Pazifikflotte nicht nur zahlmäßig zu schwach, sondern auch in zwei Hauptgeschwader geteilt sind. Die Atom-U-Boote liegen in Wiljutschinsk, nördlich der Kurilen, auf der Halbinsel Kamschatka, und die U-Boot-Abwehrschiffe sowie die wenigen verbliebenen Angriffsschiffe der russischen Pazifikflotte sind in Wladiwostok und Umgebung, südlich von Sachalin, im Japanischen Meer stationiert. Zwischen diesen beiden Hauptstützpunkten der Pazifikflotte liegen fast 2500 Kilometer.

Die Idee, in diesem Gebiet ein Verbindungsstück zu schaffen, ist schon lange im Gespräch. Die russische Flotte begann schon Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit der Umsetzung. Die „Bastion“- Komplexe  auf der Insel Matua zu stationieren, ist ein weiterer Schritt.

Für die optimale Lösung des seit langem bestehenden Problems ist das jedoch völlig unzureichend. Selbst diese bemerkenswerten Küstenraketensysteme mit Überschall-Marschflugkörpern können diese Aufgabe nicht allein lösen. Das Problem ist: Auf einer einsamen Insel ist das System „Bastion“ frei von jeglichem Schutz vor einem präventiven Luftschlag. Es ist dringend erforderlich, die Kampffähigkeiten der Einheit, die gerade auf Matua stationiert wird, mit anderen Kräften und Mitteln zu ergänzen und zu erhöhen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass das tatsächlich nur der erste Schritt Moskaus war, im Pazifischen Ozean eine äußerst kostspielige neue Verteidigungsposition zu schaffen. Es würde, nach Kamtschatka und Wladiwostok, die dritte im russischen Fernen Osten sein. Laut der Agentur RIA Novosti ist geplant, auf Matua zusätzlich zum Komplex „Bastion“ Luftverteidigungssysteme und verschiedene Eloka-Systeme zu stationieren. Höchstwahrscheinlich die S-400 oder die S-300V4 mit großer Reichweite. Denn es war eine S-400 des 1724. Flugabwehr-Raketenregiments, die Anfang dieses Jahres aus der Jüdischen Autonomen Region am Amur (an der Grenze zu China) nach Sachalin verlegt wurde. Und im Dezember 2020 wurde ein Flugabwehr-Raketensystem S-300V4 auf der Kurilen-Insel Iturup in Dienst gestellt.

Aber wie soll das alles zusammen mit den obligatorischen Luftverteidi-gungssystemen mittlerer und kürzerer Reichweite („Tor-M“ und „Pantsir-1S“) sowie mit der Ausrüstung für die elektronische Kriegführung auf einer winzigen, nur 11 Kilometer langen und 6,4 km breiten Insel Platz haben? Ein bedeutender Teil der Insel ist von Hügeln, Felsen und dem aktiven Vulkan Sarychev (mit einer Höhe von 1446 Metern) bedeckt. 96 Prozent der Oberfläche von Matua bestehen aus vulkanischen Gesteinen und Asche. Auf der verbleibenden relativ ebenen Fläche der Insel haben russische Baupioniere bereits einen alten japanischen Militärflugplatz mit einer fast anderthalb Kilometer langen Start- und Landebahn restauriert, die für die Aufnahme von leichten Transportflugzeugen, Mehrzweckjägern wie der Su-35 und Su-30SM und sogar von Frontbombern vom Typ Su-34 geeignet ist.

Wie und wo kann man unter solchen Bedingungen eine Garnison von beträchtlicher Größe ansiedeln? Und wie versorgt man die militärischen Einheiten auf Matua? Da es sich um eine Insel im Ozean handelt, scheint die günstigste Variante der Versorgung die auf dem Seeweg zu sein. Aber diese Option ist praktisch ausgeschlossen. Die Ufer der Küste von Matua sind so steil, dass kaum eine Stelle gibt, wo man einen Hafen bauen kann.. Es gibt keine geschlossenen Buchten. Ein relativ sicherer Ankerplatz ist eine schmale Meerenge im südwestlichen Teil der Insel, der im Westen von einer kleinen Insel geschützt wird. Es war während der japanischen Besatzung eine Anlegestelle, die aber nicht gut vor Wind und Wellen geschützt ist. Eine weitere beachtliche Behinderung sind die  Ebbe und die Flut auf Matua mit einer Höhe von bis zu vier Metern, die die Errichtung von Schiffsanlegestellen stark erschwert. Es stellt sich heraus, dass fast die gesamte logistische Unterstützung der auf Matua geschaffenen russischen Gruppierung ausschließlich auf dem Luftweg erfolgen muss. Was auch nicht die beste Option ist, wenn man die lokalen natürlichen Faktoren berücksichtigt, von denen die häufigste dichter Nebel ist.

Daher ist es gut, einen Ort in der Nähe zu haben, an dem man alles, was gebraucht wird, sammeln und lagern kann und der gleichzeitig auch eine Basis für Kriegsschiffe und Unterstützungsschiffe der Pazifikflotte ist. Und hier kommt eine andere Insel des Kurilen-Kamms ins Spiel, die Insel Simushir. Sie ist auch vulkanischen Ursprungs, hat aber eine sechsmal größere Fläche als Matua (345 Quadratkilometer gegenüber 52 Quadratkilometern) und liegt nur 130 Kilometer von Matua entfernt. Das macht es möglich, dass auch Matua unter dem „Schirm“ von S-400 oder S-300V4 Komplexen, wenn sie auf Simushir disloziert sind, gegen Angriffe aus der Luft geschützt ist. Diese Option ist sehr wahrscheinlich und wird von der Pazifikflotte bereits geprüft. Und dann werden die Inseln Matua und Simushir, logischerweise unter einem gemeinsamen Kommando, zu einem sehr wichtigen Glied im Verteidigungssystem des Fernen Ostens Russlands entwickelt. Diese Vorstellung ist realistisch, denn die russische Marine wird zwar eine solche Basis aus eigener Kraft herrichten müssen, aber nicht von Grund auf neu. Die Pazifikflotte hatte bereits 1978 mit dem Bau eines Stützpunktes auf Simushir begonnen. Das wurde durch einen fast runden Kratersee auf der Insel erleichtert. Es handelt sich um eine mit Wasser gefüllte Caldera eines längst erloschenen Vulkans, der fast sechs Kilometer landeinwärts liegt. Die Fläche der Caldera ist von der Größe her mit dem Hafen von Sewastopol zu vergleichen. Die maximale Tiefe beträgt 250 Meter. Die schmale, bereits durchbrochene Einfahrt zum Kratersee ermöglicht es Schiffen, bei fast jedem Schlechtwetter einen sicheren Liegeplatz zu finden.

Insel Simushir<
Insel Simushir (Grafik: Wikipedia)

Bei diesem Durchgang gab es jedoch ein Problem. Die Tiefe des Durchbruchs betrug zunächst nicht mehr als zwei Meter. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum auf Simushir von den Japanern kein solider Hafen gebaut wurde. Die russische Marine überwand dieses Hindernis erst im September 1981. Zu diesem Zeitpunkt war ein großer Teil der zu entsorgenden Marinemunition – Minen, Torpedosprengköpfe und Fliegerbomben – von der gesamten Pazifikküste des Fernen Ostens auf die Insel gebracht worden. Der Sprengstoff, insgesamt 2,5 Kilotonnen TNT, wurde entlang der Durchfahrt zur Caldera angebracht und gezündet. Die Explosion war so groß, dass die Japaner dachten und behaupteten, auf den Kurilen habe die Sowjetunion einen geheimen Atomwaffentest durchgeführt. Die Tiefe an der Durchfahrt zum Kratersee wurde auf 13 Meter bei einer Fahrwasserbreite von 80 Metern erhöht, was für die Durchfahrt selbst großer Kriegsschiffe wie Kreuzer und Zerstörer völlig ausreicht.

1981 wurde die 137. Schiffsbrigade als Teil einer Küstenschutzeinheit mit Patrouillenschiffen und Minensuch- und Räumschiffen nach Simushir verlegt. Ihre Aufgabe war sowohl der Kampf gegen ausländische U-Boote und Überwasserschiffe, die heimlich versuchten, in das Ochotskische Meer einzudringen als auch die Begleitung der russischen U-Boote durch die Kurilenstraße in den Stillen Ozean. Das erfolgte bis 1994 und dann ging unter Jelzin alles drunter und drüber. Die russische Pazifikflotte und die Brigade wurden aufgelöst. Drei der für sie gebauten Liegeplätze im Hafen, das Stabsgebäude, Kasernen, eine Wohnsiedlung, ein Dieselkraftwerk sowie Lager mit Munition und Treibstoff wurden aufgegeben und teils geplündert.

Reste des Stützpunktes
Reste des Stützpunktes an der Caldera auf Simushir (Foto: Wikipedia)

Alles das kann natürlich nicht sofort wieder benutzt werden. Es muss unter den jetzigen Bedingungen wieder hergerichtet und neu aufgebaut werden. Das kostet zwar Geld und viel Arbeit, aber in der fast unbewohnten Arktis hat Russland auf den aufgegebenen sowjetischen Militärstützpunkten schnell neue Garnisonen, Flugplätze und Liegeplätze errichtet.

 

Die Kurilen
Inselkette der Kurilen (Grafik: Wikipedia)

 

(Quelle: Ischenko, S., Swobodnaja Pressa, 6. 12.21, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

Zu den historischen Hintergründen

Durch den russisch-japanischen Handels-, Schifffahrts- und Grenzziehungsvertrag vom 7. Februar 1855 wurde die Inselkette in eine nördliche, russische Gruppe und eine südliche, zu Japan gehörende Gruppe unterteilt.

Am 7. Mai 1875 übergab Russland im Vertrag von Sankt Petersburg auch alle nördlichen Kurilen-Inseln an Japan. Dafür gab Japan die große Insel Sachalin an Russland ab.

Am 18. August 1945, nach erfolgter Kapitulation Japans, besetzten sowjetische Truppen die gesamte Inselgruppe der Kurilen. Am 2. Februar 1946 wurden die Inseln vom Obersten Sowjet der UdSSR zu sowjetischem Hoheitsgebiet erklärt.

Am 8. September 1951 wurde der Friedensvertrag von San Francisco geschlossen. Der Vertrag legt fest, dass Japan alle Rechte und Ansprüche bezüglich der Kurilen aufgibt. Die Sowjetunion unterzeichnete den Vertrag wegen des Koreakrieges vorerst nicht. Am 19. Oktober 1956 unterzeichneten die Sowjetunion und Japan in Moskau eine gemeinsame Erklärung, in der beide Parteien den Kriegszustand beendeten. Die Erklärung enthielt die Bestimmung, dass im Falle eines noch abzuschließenden Friedensvertrages die UdSSR die Inseln Shikotan und die Habomai-Gruppe an Japan überträgt. Derartige Verhandlungen wurden jedoch auf Grund des Vertrages von San Francisco von den USA blockiert.

Am 27. Januar 1960, nachdem im Vertrag zwischen den USA und Japan eine starke militärische Bindung Japans an die USA erfolgte und die USA ihre militärische Infrastruktur auf den japanischen Inseln praktisch uneingeschränkt ausbauen durften, weigerte sich die sowjetische Regierung, bei eventuellem Abschluss eines in der Erklärung vom 19.10.1956 vorgesehenen Friedensvertrags den Verpflichtungen gegenüber Japan, was die Kirilen-Inseln betrifft, nachzukommen, weil dann die Möglichkeit bestanden hätte, dass die Inseln Shikotan und die Habomai-Gruppe durch die USA besetzt werden könnten.

Der Streit um die Inseln geht weiter und einen Friedensvertrag zwischen Japan und der Russischen Föderation als Nachfolger der UdSSR gibt es bis heute nicht.

 

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