Krieg in Europa

KRIEG IN EUROPA
Quelle: Collage tvnva, Archiv tvnva

Nach Meinung von Beobachtern wurde das Militärpotential der Ukraine in den letzten Jahren mit westlicher Unterstützung massiv ausgebaut. Die ostukrainischen Volksrepubliken könnten – auf sich allein gestellt – einer Offensive der ukrainischen Streitkräfte (Armee und Nationalgarde) nur für eine sehr begrenzte Zeit widerstehen. Das Kräfteverhältnis liegt bei 3-4:1 zugunsten der ukrainischen Truppen. Die Ukraine würde eine Offensive mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Infiltration von Kommandoeinheiten vorbereiten und mit einem „Blitzkrieg“ die schnelle militärische Entscheidung suchen. Allerdings ist ein solches Szenario für die Ukraine mit erheblichen Risiken verbunden. Scheitert die Offensive, kommt es zu einem längeren Stellungskrieg. In diesem Fall könnten die Verteidigungskräfte der Volksrepubliken längere Zeit auch ohne russische Unterstützung standhalten.

Zu berücksichtigen ist auch, dass mittlerweile über ein Drittel der Bürger in den Volksrepubliken die russische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Russland wird das Leben seiner Staatsbürger sowohl in den Volksrepubliken als auch auf der Krim verteidigen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte dazu: „Die Sicherheit der russischen Bürger ist eine absolute Priorität des russischen Staates und von Präsident Putin persönlich.“ Sollte es also zu Angriffen auf russische Staatsbürger und auf russisches Territorium kommen, würde Russland mit aller Härte reagieren. In diesem Fall würde die quantitative und qualitative Überlegenheit der russischen Streitkräfte wirksam werden. Manche Beobachter rechnen mit einem Vorstoß russischer Verbände bis zum Dnepr. Ob die Vereinigten Staaten und die NATO in diesem Fall bereit wären, für die Kiewer Regierung einen Krieg mit Russland zu riskieren, der sich regional und waffentechnisch kaum begrenzen ließe, ist fraglich. Einerseits dürfte es den USA schwerfallen, einen Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages zu konstruieren. Zudem ist die Begeisterung in westeuropäischen Hauptstädten, in einen Krieg auf Seiten der Ukraine hineingezogen zu werden, erkennbar gering. Lediglich Polen und die baltischen Staaten würden sich wohl an einem solchen Abenteuer beteiligen. Wahrscheinlicher ist die Intensivierung westlicher Waffenlieferungen, die logistische Unterstützung der ukrainischen Truppen und die Hilfe beim Aufbau von stay-behind-Strukturen. Außerdem wird der Westen weitere Sanktionen gegen Russland verhängen, wobei die Möglichkeiten bereits weitgehend ausgereizt sind.

Russland scheint entschlossen, Stärke zu zeigen und seine Interessen auch militärisch zu verteidigen, wenn sich keine friedliche Lösung für die ostukrainischen Republiken bietet. Dafür spricht, dass Russlands Präsident Putin am 18. März 2021, zum siebten Jahrestag der Wiedervereinigung der Krim mit Russland, erklärte, dass die durch die Bolschewiki festgelegten Republikgrenzen innerhalb der UdSSR nicht rechtmäßig gezogen wurden. Maßgeblich seien die historischen Grenzen Russlands.

Insofern ist derzeit völlig offen, was die nächsten Wochen bringen werden. Die Vereinigten Staaten sind daran interessiert, Kiew in der Konfrontation mit Russland zu bestärken, um so Russlands Schmerzgrenzen auszutesten und Moskau unter politischen Druck zu setzen. Gleichzeitig lassen sich so die NATO-Partner unter Verweis auf die vorgebliche russische Bedrohung politisch auf Linie bringen. Und Präsident Biden kann sich in den USA als starker Führer inszenieren. Hinzu kommt, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine bislang an dem schwelenden Konflikt im Osten scheitert. Also würden sowohl der Westen als auch die Ukraine gerne zu einer Entscheidung kommen, die den Weg für einen Beitritt des Landes zur NATO freimacht. Denn nur so kann die strategische Einschließung Russlands vollendet werden. Den friedlichen Weg zu einer politischen Lösung der Probleme nach dem Fahrplan des Minsker Abkommens hat Kiew jedoch nie akzeptiert. So bleibt in den Augen der derzeitigen ukrainischen Führung nur eine militärische Lösung, über deren existenzielle Risiken man sich allerdings im Klaren sein dürfte.

Vor diesem Hintergrund erklärte der ukrainische Präsident Selenskij am 6. April, dass ein NATO-Beitritt seines Landes der „einzige Weg“ sei, um den Krieg im Donbass zu beenden und zugleich ein „klares Signal für Russland“ darstellen würde. Kreml-Sprecher Peskow kommentierte diese Äußerungen Selenskijs umgehend: „Aus unserer Sicht würde das die Situation nur erschweren. Man kann die Meinung des Volkes nicht ignorieren. Wenn Sie mehrere Millionen Menschen in den selbst ernannten Republiken über einen NATO-Beitritt befragen, werden Sie verstehen, dass dies eine inakzeptable Aussicht ist.“

Selenskij muss auf die aktive militärische Unterstützung der USA und der NATO setzen – nicht nur weil die Ukraine einen direkten militärischen Konflikt mit Russland nicht überstehen würde, sondern auch weil die ukrainische Bevölkerung kriegsmüde und das Land ökonomisch ruiniert ist. Der Ausverkauf des Landes an den Westen, der niedrige Lebensstandard und ständige Machtkämpfe verschiedener Fraktionen der ukrainischen Elite sowie die Repressionen des Geheimdienstes SBU gegen die eigenen Bürger haben das Land geschwächt und zur Entstehung eines nicht zu unterschätzenden Protestpotenzials geführt.

Dass Russland die ostukrainischen Republiken im Falle einer ukrainischen Offensive nicht fallenlassen wird und dass eine Aufgabe der Krim nicht zur Debatte steht, haben Moskauer Offizielle mehrfach bekräftigt. Diese Entschlossenheit scheint man auch westlichen Entscheidungsträgern vermittelt zu haben. Es gab Gespräche mit Vertretern der US-Administration, die der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow gegenüber der Agentur TASS am 6. April kommentierte: „Wir hatten Kontakte mit der US-Regierung bezüglich der Situation im Donbass. Wir haben der US-Seite erschöpfend dargelegt, was passiert.“ Allerdings dominiere bei den USA und in Kiew eine „zunehmend provokative und trotzige Haltung“. Und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äußerte vor Journalisten. „Die Situation ist besorgniserregend. Wir sehen vonseiten der Ukraine keinen Willen einer Deeskalation, das Thema des Konfliktes anzugehen, sich hinter einer angeblichen Bedrohung nicht zu verstecken und die Kontrolle über die Streitkräfte zu übernehmen, die direkt an der Demarkationslinie stehen und die meisten Provokationen verursachen. Am wichtigsten ist, dass keine weiteren militärischen Aktivitäten der ukrainischen Streitkräfte gegen das eigene Volk, gegen die Menschen, die in den selbst ernannten Republiken wohnen, provoziert werden.“

Es bleibt zu hoffen, dass diese Botschaft in Washington, Berlin und Paris gehört wird und zu einer realistischen Lagebeurteilung führt.

von Redaktion (Kommentare: 0)

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