Computergestütztes Töten

Das israelische Unternehmen Smart Shooter hat ein computergestütztes, elektrooptisches Zielsystem mit der Bezeichnung SMASH 2000 für Infanteriewaffen entwickelt, das die Bekämpfung beweglicher Ziele erleichtert. Einem Bericht des Telepolis-Autors Florian Rötzer zufolge arbeitet das System auf der Basis von Algorithmen, „mit denen sich auch sehr schnell Ziele auf eine Entfernung von angeblich einigen hundert Metern verfolgen und mit einem Schuss treffen lassen. Der Schütze wählt das Ziel aus und loggt es ein. Wenn der Abzug gedrückt wird, wird mit Bildverarbeitung und Algorithmen die Bewegung des Ziels berechnet und sein Weg vorhergesagt. Die Patrone wird erst dann abgeschossen, wenn das Ziel genau erfasst ist.“ Damit wären nicht nur ausgebildete Polizeikräfte und Militärs, sondern auch ungeübte Schützen in der Lage, mit geringstem Munitionseinsatz und hoher Trefferwahrscheinlichkeit bewegliche Ziele zu bekämpfen.

Hintergrund für die Entwicklung des Zielgerätes sei die Bedrohung Israels durch kleine Drohnen sowie mit Sprengstoff und Brandsätzen versehene Ballons und Lenkdrachen, die insbesondere durch palästinensische Kombattanten eingesetzt werden. Zwar sei der Schaden, den diese Kampfmittel anrichten können, eher gering. Doch sei deren psychologische Wirkung nicht unerheblich. Die israelische Armee hat das neue Zielgerät an der Grenze zum Gazastreifen bereits im scharfen Schuss erprobt und soll „Tausende der Geräte“ bestellt haben. Auch die US-Luftwaffe sei mit Tests dieses Systems befasst.

Doch mit der Neutralisierung von Kleinkampfmitteln sind die Möglichkeiten dieser waffentechnischen Innovation keineswegs ausgereizt. Vielmehr lassen sich damit menschliche Ziele auch durch ungeübte Schützen mit verringertem Eigenrisiko effektiv eliminieren. Das Töten von Zielpersonen wird in der Tendenz automatisiert, was den Stress für den Schützen im Gefecht verringern und außerdem sogenannte Kollateralschäden und Ausfälle durch „friendly fire“ minimieren soll. Auch könne man mit diesem Waffensystem Geiselnehmer, die ihre Opfer als lebende Schutzschilde missbrauchen, ausschalten, ohne die Geiseln zu verletzen.

Doch wie bei anderen halbautomatisierten Waffensystemen (etwa Drohnen und Kampfrobotern) besteht auch hier das Risiko von Softwarefehlern oder der gegnerischen Einwirkung auf Hard- und Software. Elektronische Kampfmittel und die gezielte Infiltration von Schadsoftware können solche Waffen neutralisieren. Mit einer solchen Waffe ergeben sich im Einsatz nur solange taktische Vorteile, bis der Gegner sich darauf eingestellt und effektive Abwehrmittel entwickelt hat. Und das dürfte angesichts der sich aktuell rasant entwickelnden Informationstechnologie nur eine Frage der Zeit sein. Die Idee, eine „saubere Waffe“ zu besitzen, die „chirurgisches“ Präzisionsfeuer ermöglicht und Unbeteiligte schont, kann sich schnell als Illusion erweisen.

Quelle: Rötzer, Florian: Neue Ziel- und Schusstechnik: "One shot, one kill" . „Heise.de“ TELEPOLIS MAGAZIN. 20. September 2019

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