Bodengestützte Kampfroboter für die EU-Armeen

Quelle: tvnva, theverge.com und Qinetiq

Bodengestützte Kampfroboter für die EU-Armeen

Im Segment der Luftrüstung haben unbemannte Aufklärungs- und Waffensysteme bereits einen festen Platz. Debatten über den Einsatz künstlicher Intelligenz in Kampfdrohnen und über das Regelwerk für den Einsatz vollautomatischer luftgestützter Waffensysteme verdeutlichen, wie weit die Entwicklungsarbeiten in diesem Bereich bereits gediehen sind. Westliche Strategen denken über den Einsatz von Drohnenschwärmen im Rahmen diverser futuristisch anmutender operativ-taktischer Konzepte nach (Stichwort: Hyperwar). Jagdbomber der fünften Generation sollen zu Gefechtsleitsystemen für den Einsatz von Aufklärungs- und Kampfdrohnen entwickelt werden. Derzeit werden etwa beim Unternehmen Airbus konzeptionelle Überlegungen über ein sogenanntes Future Combat Air System angestellt. Dabei geht es um die taktische Verknüpfung eines hochentwickelten Kampfflugzeuges mit spezifisch ausgerüsteten und vielseitig einsetzbaren Drohnen. Dieses weitgehend von künstlicher Intelligenz gesteuerte System soll in einen Kampfverbund anderer land-, luft- und seegestützter Waffensysteme eingebettet werden. Die Konzeptstudie soll 2021 vorliegen, erste Funktionsmuster von Systemkomponenten sollen bis 2024 bereit stehen.

Die Militärs fordern jedoch für die Kriege der Zukunft auch multifunktionale bodengestützte Roboter-Plattformen, die – ähnlich wie luftgestützte Drohnen – in Schwärmen einen Gegner attackieren und seine Abwehrsysteme überlasten können. Auch hier soll der Einsatz der Roboterschwärme zunächst durch ein bemanntes Gefechtsleitsystem koordiniert werden. Doch im Segment unbemannter Landroboter blieben die Entwicklungsarbeiten in EU-Europa bislang eher überschaubar. Zwar existieren seit geraumer Zeit diverse Funktionsmuster für unbemannte landgestützte Systeme – etwa der NERVA LG des französischen Herstellers Nexter Robotics – allerdings liegen europäische Hersteller in diesem zukunfts- und renditeträchtigen Waffensegment weit hinter US-amerikanischen oder israelischen Anbietern zurück. Diese Unternehmen treiben mit Unterstützung der jeweiligen Verteidigungsministerien seit vielen Jahren die Entwicklung bodengestützter Kampfroboter voran und verfügen teilweise bereits über einsatzbereite und in der Truppe erprobte Modelle.

Der technologische und konzeptionelle Rückstand der EU-Staaten in diesem Marktsegment soll nun aufgeholt werden, was nicht nur im Interesse der Militärs, sondern auch der beteiligte europäischen Rüstungsunternehmen ist. In die strategischen und operativ-taktischen Konzepte zur Führung zukünftiger Kriege, die derzeit in der militärischen Fachpresse diskutiert werden, ordnet sich ein neues, von der EU-Kommission massiv gefördertes Rüstungsprojekt ein: Laut einem Bericht der Zeitschrift „Europäische Sicherheit und Technik“ (Ausgabe 06/20) wurde im Rahmen des European Defence Industrial Development Programme (EDIDP) der Europäischen Kommission der Weg für die Entwicklung eines „integrierten, modularen, unbemannten Bodensystems“ (integrated Modular Unmanned Ground System/iMUGS) bereitet. Das Projekt kostet die europäischen Steuerzahler 32,6 Millionen Euro. Die an dem ambitionierten Vorhaben beteiligten privaten Firmen lassen sich so die kostenintensiven Entwicklungsarbeiten subventionieren. Mit im Geschäft sind folgende Unternehmen: Milrem Robotics sowie GT Cyber Technologies aus Estland, Safran Electronics & Defense und Nexter Systems (Frankreich), Krauss-Maffei Wegmann und Diehl Defence aus Deutschland, Bittium Wireless und Insta DefSee (Finnland), (Un)Manned und DotOcean (Belgien), Latvias Mobilais Telefons aus Lettland sowie GMV Aerospace and Defence aus Spanien. Auch die Estnische Militärakademie und die Königliche Militärakademie Belgiens beteiligen sich an den Entwicklungsarbeiten. Die Federführung wird bei dem Unternehmen Milrem Robotics liegen, das sein unbemanntes Fahrzeug „Themis“ als Prototyp in das Projekt einbringt. „Themis“ erinnert optisch sehr an den ursprünglich in Frankreich entwickelten und schließlich von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront und zur Niederschlagung des Warschauer Aufstandes eingesetzten drahtgesteuerten Sprengpanzer „Goliath“.

Ziel des iMUGS-Projektes ist die Schaffung einer „modularen und skalierbaren Architektur für hybride bemannte und unbemannte Systeme“. Man wolle auf diesem Weg europäische Standards für „Luft- und Bodenplattformen, Führungs-, Kontroll- und Kommunikationsausrüstungen, Sensoren, Nutzlasten und Algorithmen“ entwickeln. Die Funktionsmuster sollen schließlich im Rahmen von Truppenübungen unter verschiedenen klimatischen Bedingungen getestet werden, wobei als Ziel ausdrücklich definiert wird, „operatives Know-how“ zu sammeln und „Konzepte für den kombinierten Einsatz bemannter und unbemannter Mittel“ zu entwickeln. Die umständliche Begrifflichkeit verschleiert, worum es im Kern geht: Die EU will im Rahmen der fortschreitenden militärischen Integration luft- und bodengestützte Kampfroboter in eigener Regie entwickeln. Zwar wolle man im Rahmen des Projektes auch ethische Aspekte „berücksichtigen“, doch das ändert nichts an der offenkundigen Zielstellung, die Gefechtsführung, die Zielauswahl und den Waffeneinsatz durch die Nutzung künstlicher Intelligenz zu automatisieren und damit effektiver zu machen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie konsequent man sich der amerikanischen und israelischen Konkurrenz in diesem Markt stellen wird. Erkennbar ist zumindest der Versuch von EU-Politikern, -Militärs und Rüstungsunternehmen, technologisch und konzeptionell aus dem Windschatten der Führungsmacht zu kommen. Doch die NATO-Strukturen werden zuverlässig dafür sorgen, dass auch rüstungspolitisch in Europa nichts passiert, was US-Interessen negativ tangieren könnte.

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