Baltische Ängste

Laut der amerikanischen Nachrichtenseite „www.defensenews.com“, die vom US-Verteidigungsministerium gesteuert wird, richteten Estland, Lettland und Litauen – gemäß den Regeln der OSZE – gemeinsam eine Anfrage zu den Zielstellungen des russisch-weißrussischen Militärmanövers an Belarus. „Die Anfrage soll Belarus ermutigen, Schlüsseldaten zum Manöver zu veröffentlichen….“ Die Balten forderten von Weißrussland eine detaillierte Beschreibung aller Übungen. Diese soll die Gesamtzahl der Militärangehörigen, Kampfpanzer und gepanzerten Fahrzeuge, Artilleriegeschütze, Mörser und Raketenwerfer sowie die erwarteten Einsätze von Flugzeugen und der beteiligten schnellen Eingreiftruppen enthalten.

Die Grenzbeziehungen der baltischen Länder zu Russland und Weißrussland sind reich an blutigen Grenzkonflikten. Bei manchen spürte man die Hand von Profis. Litauische Fachleute schreiben sowjetischen Spezialeinheiten die Ermordung lokaler Zoll- und Grenzbeamter im Juli 1991 am Kontrollpunkt Medininkai zu. Diesem Ereignis, das den gesamten baltischen Raum aufwühlte, war ein Zollkrieg zwischen Litauen und dem noch sowjetischen Weißrussland vorausgegangen. Er verletzte die Interessen von Tausenden von Menschen, die auf beiden Seiten der Grenze leben. Auf Initiative der Litauer wurden auf dem Territorium der Republik Litauen mehrere Zollposten eingerichtet. Sie begannen, Lastwagen mit Produkten, die in beide Richtungen gingen, massiv zurückzuweisen. Die Bevölkerung war empört. Infolgedessen wurden mehrere dieser Posten der litauischen Bereitschaftspolizei angegriffen. Grenzbeamte wurden erschossen und einige Grenzübergänge wurden sogar niedergebrannt. Die Angreifer waren hauptsächlich ethnische Russen.

Man könnte annehmen, dass das Massaker von Medininkai die Episode eines Krieges war. Das Massaker geschah aber in der Zeit, als Litauen seine Unabhängigkeit erklärte, die jedoch von Moskau nicht anerkannt wurde. Litauen litt unter dem von Gorbatschow verhängten Warenboykott, deshalb blühte der Schmuggel von Lebensmitteln und Benzin an der Grenze. Litauen versuchte, das zu unterbinden. Die Tatsache, dass in Medininkai die Grenzwächter auf die Knie gezwungen und dann mit Schüssen in den Hinterkopf getötet wurden, widerspricht jedem Schema einer spontanen Konfrontation. Die Litauer sind immer noch davon überzeugt, dass die sowjetische Spezialeinheit „Omon“ unter dem Deckmantel eines chronischen Grenzkonflikts dieses Massaker verursachte. Diese Vermutung hat Folgen: Heute sind die litauischen Sonderdienste überzeugt, dass russische Kampfschwimmer an dem russisch-belarussischen Manöver teilnehmen. Diese Truppe ist geheimnisumwittert. Das Dorf Parusnoye ist seit Sowjetzeiten der Standort der Kampfschwimmer. Hier ist die 561. Marinebrigade stationiert. Ihre Aufgabe ist Seeaufklärung sowie die Zerstörung von Schiffen und Hafenanlagen. Bekannt ist, dass die Kampfschwimmer während des 8-Tagekrieges mit Georgien gleichzeitig mehrere Schiffe in Batumi und Poti sprengten und dadurch das gesamte Hafenfahrwasser sperrten.

Die Litauer behaupten, dass ihre örtliche Küstenwache im Dorf Juodkrante regelmäßig Kampfschwimmer in den Gewässern von Klaipeda beobachtet hat, wo sich das Flüssiggasterminal und die Hauptradarstation der litauischen Luftwaffe befinden.

An dem Manöver, das die Balten ängstigt, nehmen auch die Grenztruppen der Republik Belarus teil. Es ist bekannt, dass alle Aufklärungs- und Sabotagegruppen eng mit den Grenzschutzbeamten zusammenarbeiten. Letztere kennen wie kein anderer die potenziellen Schwachstellen im Grenzschutz ihres Nachbarn. Und die russischen Grenztruppen haben seit mehr als zwanzig Jahren eine eigene Sonderabteilung namens „Sigma“. Die Abteilung ist geheim und war bisher bei keiner Militäroperation auf dem Territorium Russlands im Einsatz. Die Ausnahme war der Zweite Tschetschenienkrieg, als diese Grenzschutzbeamten die Argun-Schlucht blockierten. Die Litauer befürchten, dass „Sigma“ an der Grenze zu ihrer Republik eingesetzt wird.

(Quelle: Moisejew, I., Swobodnaja Pressa, 11.02.22, redaktionell bearbeitete Übersetzung)

von Redaktion (Kommentare: 0)

Zurück

Einen Kommentar schreiben